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Vorurteil: Kampfkünste ohne asiatische Philosophie sind keine Künste und lehren nur Gewalt

 

Sehr häufig glaubt der unwissende Bürger, dass Kampfkunst immer auch etwas mit fernöstlicher Philosophie zu tun haben muss. Mehr noch: Kampfsportarten ohne eine bestimmte Philosophie wird gerne unterstellt, dass diese gar keine richtigen „Künste“ sind und sich nur auf Gewalt und „Draufhauen“ konzentrieren würden.

 

Um dieses Vorurteil zu verstehen, muss man zuerst die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Gewalt verstehen können. In Deutschland ist physische Gewalt umfassend geächtet und bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B. Sportveranstaltungen, bei hohen Strafen verboten (psychische und emotionale Gewalt sind viel schwieriger nachzuweisen und damit inoffiziell legitim).

Der deutsche Bürger hat extreme Vorbehalte gegenüber Menschen oder Gruppen, die offiziell dazu in der Lage sind, physische Gewalt ausüben zu können. Da das Gewaltmonopol beim Staat liegt, sind auch nur wenige Institutionen dazu berechtigt im Notfall auf extreme (bewaffnete) Gewalt zurückgreifen zu dürfen, nämlich Militär und Polizei.

 

Beide unterliegen allerdings strenger internen sowie externer Überwachung (Presse, Dienstvorschriften und Dienstaufsichten), welche gewährleisten soll, dass diese Institutionen ihre Macht nicht missbrauchen und Bürger sowie Staat vor willkürlichen Übergriffen geschützt werden.

 

 

Wichtig:

„Für Menschen/Gruppen mit der Möglichkeit oder dem Können zur Ausübung von physischer Gewalt wird fast immer eine kontrollierende und regulierende Einrichtung erwartet, damit die Macht der Gewalt nicht missbraucht wird!“

 

Diese regulierende Einrichtung wird in den Kampfkünsten pauschal der dahinterliegenden Philosophie zugesprochen. Oder einfach ausgedrückt: ohne eine Philosophie, welche die „Bestie“ zähmt („Über-Ich“, siehe auch „Warum zögere ich?“), könnte der Schüler sein Wissen missbrauchen.

 

Das Stereotyp des Kampfsportlers als potenziell skrupelloser Schläger kommt daher, dass sich der „Normalbürger“ dem trainierten Kampfsportler unterlegen sieht und immer die latente Furcht mit sich herumträgt, dass der Kampfsportler ihn ohne Mühe überwältigen oder „fertigmachen“ kann.

Trotz dem Korsett einer zivilisierten Gesellschaft stellt sich der Mensch auch heute noch bei Machtthemen immer die Frage: „Wer kann über wen bestimmen und wie schneide ich dabei ab?“

Sollte der trainierte Kampfsportler sich dazu entscheiden, im Falle eines Konfliktes oder einer Meinungsverschiedenheit die Angelegenheit auf eine physische Ebene zu bringen (also handgreiflich werden), so würde der untrainierte Bürger vollkommen unterlegen oder zumindest in einer deutlich schwächeren Position sein.

 

 

Die große Furcht des Bürgers: Untrainiert und hilflos im Angesicht von physischer Gewalt

 

 

 

Bereits in den alten Kampfkünsten wurden früher bestimmte Philosophien als Kontrollinstrument benutzt und Schüler wurden nicht selten einer intensiven Charakterprüfung unterzogen, bevor sie die tatsächliche Kampfkunst lernen durften. Dies war in erster Linie aber eine Versicherung für die Schule und den Meister, denn sollte der Schüler sein Wissen missbrauchen, so würde dies direkt auf die Inkompetenz des Meisters als Pädagoge und Lehrer zurückfallen und große Schande über seine Schule bringen.

Es war also im großen Interesse eines Lehrers, wenn sich seine Schüler einem Kodex oder einer Philosophie unterwerfen mussten, die Überheblichkeit, Anmaßung oder Größenwahn („Macht schafft Recht“) von Anfang an verhindert oder zumindest stark einschränkt.

 

Dies hat sich bis heute auch nicht verändert. Egal mit was eine Kampfsportschule auch werben mag, jede seriöse Schule wird peinlich darauf achten, dass ihre Schüler verantwortungsvoll mit den dort gelernten Techniken umgehen. So weisen sehr viele Schulen oder Dojos ausdrücklich darauf hin, dass bei ihnen keine Schläger „ausgebildet“ werden, sie den Weg des „friedvollen Kriegers“ beschreiten, sie dem „Bushido-Samurai-Ehrenkodex“ folgen oder ausdrücklich der Schwerpunkt auf die „reine Verteidigung“ gelegt wird. Gerade der letzte Punkt zeichnet eine der größten Schwarz-Weiß Malereien und Vorurteile der Kampfkünste in Deutschland:

 

 

- Kampfkünste mit Philosophie und Fokus auf „Verteidigung“ = gut, ehrenwert, akzeptiert

 

- Kampfkünste ohne Philosophie, Fokus auf Wettkampf = lehrt den Angriff, bildet Schläger aus, wenig akzeptiert bis hin zur offenen Ablehnung

 

 

 

Nun sollte man aber auch nicht vergessen, dass gerade auch eine bestimmte Philosophie und das Umfeld traditioneller Kampfkünste für viele Leute reizvoll ist. Traditionelle japanische Kampfsportarten sind z. B. sehr autoritär, ja schon fast militärisch strukturiert; es gibt „Uniformen“ in Form des Gi und „Dienstgrade“ in Form von Gürtelgraduierungen sowie Kommandos, welche den Bedeutungen von „Stillgestanden“, „Jawohl“ und „Salutiert“ doch recht nahe kommen. „Meister“ sind nicht selten absolute Autoritätspersonen und dürfen niemals in Frage gestellt werden.

 

Wie kann es also sein, dass ein so der Gewalt abschwörendes und anti-militaristisches Land wie unseres es dann doch ganz in Ordnung findet, wenn der aufbrausende Sohnemann in semi-militärischen Strukturen Disziplin, Gehorsam und Ordnung lernt? Ich möchte damit nicht behaupten, dass alle asiatischen Dojos verkappte Boot-Camps sind, sondern nur aufzeigen, wie ambivalent die Wahrnehmung der meisten Leute sein kann.

 

Auch findet man gerade in traditionellen Kampfsportarten mit „Philosophie“ teilweise die größten Scharlartane. Der Kampfsport ist in Deutschland eine Nische, wo auch Leute mit relativ wenig Können zu relativ viel Ansehen und Respekt gelangen können. Es gibt zig Vereine und Verbände, Meistertitel sind nicht offiziell geschützt und so kann sich jeder selbst einen schwarzen Gürtel um die Hüfte binden und sich zum Großmeister seines eigenen Haussystems ernennen.

Kann er seine „Kampfkunst“ dann noch gut verkaufen, oft gerade mit einer fernöstlich angehauchten Philosophie, so ist ihm die Aufmerksamkeit einiger Leute jedenfalls sicher. Viele Leute wollen auch Kampfkunst vermischt mit Esoterik, Philosophie oder Mystizismus und einem „erleuchteten Meister“, der ihnen Halt und eine Richtung vorgibt. Ihnen geht es weniger um das Lernen der Kunst, sondern mehr darum, dass sie von sich selbst sagen können, einen „moralisch besseren“ Weg als der Rest der Leute zu gehen. Dies öffnet natürlich Abzockern und Bauernfängern Tür und Tor.

 

Ich war über fünf Jahre als Abteilungsleiter eines JuJutsu-Vereins tätig und konnte dort aus erster Hand erfahren, was von der Philosophie übrig bleibt, wenn der Verbandsklüngel einsetzt. Kurz gesagt: je schwarzer der Gürtel, desto abgehobener wurden die „Lehrer“. Der Großmeister war ein rechthaberischer, cholerischer und chauvinistischer Zeitgenosse, sein Vertreter ,ein 4ter Dan, war Kettenraucher und pflegte neben seiner Kampfkunst noch mit Hingabe seinen Bierbauch. Beide waren natürlich mit einer allumfassenden Weisheit gesegnet und sie oder ihre Methoden in Frage zu stellen kam Blasphemie gleich.

Auch mein ehemaliger Sensei aus einer Karateschule in Germersheim, ein hoch geachteter Meister und Lehrer des Deutschen Karateverbands, kam wohl irgendwann zur Überzeugung, dass die Grundsätze und Regeln seiner allseits gepredigten Philosophie wohl nur für Normalsterbliche gelten, allerdings nicht für ihn. Dieser Mann nahm rückblickend betrachtet die Stellung eines Patriarchen ein, wer nicht für ihn war, war gegen ihn. Von seinen Schülern verlangte er „Respekt und Bescheidenheit“, die er wohl dadurch testen wollte, indem er mit minderjährigen Schülerinnen sexuelle Beziehungen pflegte. Er wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, der Verein hat sich bis heute allerdings nicht von ihm oder seinen Taten öffentlich distanziert; das sagt eigentlich schon alles.

 

 

Fazit:

 

Eine bestimmte asiatische oder sonstige Philosophie dient in erster Linie der Imagepflege einer Schule und macht diese nicht pauschal moralisch oder pädagogisch wertvoller!

 

 

 

Die wichtigste Institution einer jeden Kampfsportschule wird immer der Lehrer bleiben (siehe auch „Kritisches zur SV“)