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Ursachen, warum der Mensch in einer SV-Situation zögert:

 

 

Ein sehr großer Teil unserer Bevölkerung wird nicht dazu in der Lage sein in einer Notwehrsituation dem Angreifer kompromisslos mit physischer Gewalt entgegenzutreten, obwohl dies in einem Augenblick von höchster Gefahr für Gesundheit und Leben vielleicht die beste Alternative wäre.

 

Woran liegt das? Wie kann es sein, dass Menschen im Angesicht der Gewalt den gefürchteten “Blackout” bekommen und sogar einen physischen Angriff auf den Täter oder den Gebrauch von Waffen komplett ausschließen, selbst wenn dies ihr Leben oder ihre Gesundheit retten könnte? Dieser Abschnitt stellt zwei Modelle vor, die dieses Verhalten erklären können.

 

1. Das Drei-Instanzen-Modell von Freud

 

2. Lernen am Modell von Bandura

 

3. Auswirkungen der Modelle auf das Verhalten in einer SV-Situation

 

 

 

 

 

1. Das Drei-Instanzen Modell von Freud

 

Das Drei-Instanzen-Modell ist ein Erklärungsversuch der menschlichen Psyche, die von Freud in drei Instanzen unterteilt wurde:

 

- Dem ÜBER-ICH:

Die Kontrollinstanz des Menschen. Gebote, Verbote, Moral, Pflicht und gewünschte Verhaltensweisen werden hier gespeichert und bewirken, dass wir auch außerhalb des Einflußes von “moralpredigenden” Instanzen wie Elternhaus, Lehrer oder Gesellschaft sozialkonform funktionieren können. Das Über-Ich kontrolliert und überwacht das Ich und unterdrückt normalerweise das Es.

 

Das ÜBER-ICH sagt dem Menschen, was er zu tun und zu lassen hat

 

 

- Dem ICH:

Das Ich ist ein Vermittler zwischen den Ansprüchen des Über-Ichs und des Es und es hat dafür zu sorgen, dass auftretende Konflikte zwischen den zwei gegensätzlichen Polen konstruktiv aufgelöst werden können. Ein Beispiel:

 

ES: “Schokolade! JETZT!”

 

ÜBER-ICH: “Du sitzt mitten in einem Seminar und es wäre unhöflich jetzt etwas zu essen und die anderen dadurch zu stören!”

 

ICH: “Ich warte, bis das Seminar vorbei ist und esse dann eine ganze Tafel”

 

Ergebnis: Man geht nach dem Ende des Seminars ans nächste Kiosk und kauft sich Schokolade. Das Es ist zufrieden, nur das Über-Ich könnte sich wieder einschalten, da zuviel Schokolade ja dick macht ;-).

 

Das ICH ist der Mediator und löst Konflikte zwischen ÜBER-ICH und ES

 

 

Nur durch ein gut funktionierendes Ich ist es möglich, dass ein Mensch sozialkonform funktionieren kann, ohne das sein Selbst in permanenten Konflikten zwischen Über-Ich und Es aufgerieben wird. Eine weitere Ebene des Ich ist das Ich-Gewissen. Das Ich-Gewissen ist eine eigene moralische Instanz, die sich nach kritischer Prüfung der Normen, Gebote und Moralvorstellung des Über-Ich gebildet hat. Das Ich-Gewissen ist für das “Zögern” in der SV ausschlaggebend, dazu aber später mehr.

 

 

- Dem ES:

Das Es ist die Triebinstanz, welches die Durchsetzung der Primärtriebe wie dem Sexualtrieb, Überlebenstrieb, Trieb nach Nahrung, Bedürfnissen und grundlegenden Gefühle wie Liebe, Hass oder Neid fordert. Bei der Geburt besteht die Psyche eines Menschen nur aus dieser Instanz, erst durch Sozialisation und Erziehung wird das Es “gebändigt” und der Mensch zu einem gesellschaftsfähigen Wesen.

 

“ICH WILL JETZT”; Das ES bestimmt und fordert die Erfüllung der menschlichen Triebe und Bedürfnisse

 

 

 

 

2. Lernen am Modell von Bandura

 

Lernen am Modell:

 

Lernen am Modell bedeutet, wenn ein Individuum durch Beobachtung von Verhalten von anderen Individuen sich diese Verhaltensweisen aneignet oder sein Verhalten darauf sogar ganz ändert. Ein sehr großer Teil menschlichen Lernens findet nach diesem Modell statt und viele didaktische Prinzipien bauen darauf (Jeder kennt bestimmt die Methode “Vormachen-Nachmachen” in der einen oder anderen Form).

 

Das Modell wirkt also einen Einfluß auf den Beobachter aus, wobei es zu drei Lerneffekten kommen kann:

 

1. Modelleffekt:

Der Beobachter lernt eine neue Verhaltensweise und fügt sie seinem bereits bestehendem “Repertoire” hinzu (Ein Kind lernt Tischmanieren oder ein neuer Schüler die Etikette im Dojo).

 

2. Enthemmender/hemmender Effekt:

Durch das beobachtete Verhalten steigt oder sinkt die eigene Hemmschwelle, das Verhalten auch in der Realität umzusetzen. Hat das Modell mit seinem Verhalten Erfolg, so wird die Hemmschwelle im allgemeinen sinken (z.B. Vorbilder von Jugendlichen. Fast jedes Vorbild hat auf die eine oder andere Weise Erfolg mit seinem Verhalten). Hat das Modell keinen Erfolg oder wird für sein Verhalten sogar noch bestraft, wird die Hemmschwelle steigen und das beobachtete Verhalten in Zukunft vermieden. Durch Bestrafung von Kriminellen und öffentliche Prozesse soll der Bürger lernen, eben nicht kriminell zu werden (“Verbrechen lohnt sich nicht”).

 

3. Auslösender Effekt:

Hier ist ein Verhalten bereits vorhanden und wird erst durch das Beobachten des Modells ausgelöst. Dieser Effekt ist eine Erklärung für Gruppengewalt und Eskalation von Gewalt. So kann z.B. ein Mitglied einer Jugendgang bereits den ganzen Abend auf Ärger aus sein, aber erst das Zusammentreten eines Opfers durch ein anderes Gruppenmitglied ermutigt die anderen, zuerst beobachtenden Gangmitglieder, selbst aktiv zu werden und “mitzumischen”.

 

 

 

 

3. Die Auswirkungen der Modelle auf das Verhalten in einer SV-Situation

 

Was haben diese Modelle nun mit Selbstverteidigung oder Entschlossenheit zu tun? Ob man in der Lage ist, sich in einer SV-Situation physisch zu wehren oder nicht, hängt maßgeblich von der Einstellung zu Aggression und Gewalt ab.

Wer z.B. die Formel “Alle Gewalt ist schlecht” verinnerlicht hat, der wird sich auch nicht erfolgreich gegen einen Angreifer verteidigen können, da er im Augenblick des Angriffs einen inneren Konflikt zwischen Über-Ich und Es austrägt und das Ich keine bekannte Lösung parat hat. Die Folge davon ist nicht selten der bekannte und gefürchtete “Blackout”.

 

Einfluss der Gesellschaft/Umwelt auf die pers. Einstellung zu Gewalt:

 

 

Während einer körperlichen Auseinandersetzung sind die psychischen Vorgänge relativ einfach: Das Es schaltet den Überlebenstrieb ein, der die Person lauthals dazu auffordern wird entweder zu fliehen oder sich zu wehren (“Fight-or-Flight”). Wenn Flucht nicht mehr möglich ist, bleibt nur noch der Kampf oder die widerstandslose Überwältigung durch den Angreifer.

 

Erläuterung der Abbildung:

 

Die Gesellschaft stellt die Regel “Gewalt ist schlecht” auf, welche durch Medien, Erziehung und Sozialisation allgemein an das Individuum weitergegeben wird. Das Über-Ich speichert also die Norm “Gewalt ist schlecht” und wird ab jetzt in jeder gewaltätigen Situation das Ich damit beeinflussen und gewalttätige “Ausbrüche” des Es unterdrücken.

Gleichzeitig beobachtet die Person in ihrem näheren Umfeld, dass Gewalt mißbilligt wird und man mit diesem Verhalten keine positiven Erfolge verbuchen kann. Dies hat zur Folge, dass eigenes gewalttätiges Verhalten gehemmt und das Über-Ich mit seiner “Gewalt ist schlecht”-Norm bestätigt wird.

Das wirkliche Problem entsteht allerdings erst dann, wenn das Ich, nach Prüfung der Normen des Über-Ich, ein Ich-Gewissen mit dem Postulat “Gewalt ist schlecht” entwickelt. Dies führt nämlich dazu, dass das Es mit seinem Überlebenstrieb und Killerinstinkt, der in dieser Situation nunmal leider notwendig ist, vollständig unterdrückt wird und als Ergebnis praktisch nur noch “Ich darf keine Gewalt anwenden” herauskommen kann.

 

 

Beispiel eines vernünftigen Ich in einer SV-Situation:

 

ES: “Du wirst angegriffen und kannst nicht mehr fliehen! KÄMPFE!”

 

ÜBER-ICH: “Nein, das darfst du nicht. Gewalt ist keine Lösung!”

 

ICH: “Ich hasse Gewalt, aber es geht leider nicht anders. Wenn ich mich nicht wehre, werde ich invalide oder sterbe sogar. Ich werde mir später irgendwie bestätigen lassen, dass ich richtig gehandelt habe, wenn mein Angreifer verletzt oder getötet wird”

 

 

Beispiel eines Ich mit entwickeltem “Gewalt ist keine Lösung”-Ich-Gewissen:

 

ES: “Du wirst angegriffen und kannst nicht mehr fliehen! KÄMPFE!”

 

ÜBER-ICH: “Nein, das darfst du nicht. Gewalt ist keine Lösung!”

 

ICH-GEWISSEN: “Nach reiflicher Überlegung und Prüfung der Norm “Gewalt ist schlecht” des Über-Ich bin ich tatsächlicher zu der Überzeugung gelangt, dass Gewalt keine Lösung sein kann. Wenn ich jetzt zuschlage, verstoße ich gegen meine Überzeugung. Ich werde mich deshalb nicht wehren”.

 

ES: “Du wirst angegriffen und kannst nicht mehr fliehen! KÄMPFE!”

 

 

Diese “Unterhaltung” wird solange weitergehen, wie die Situation andauert. Für Euch bedeutet das, dass Ihr, während sich Eure drei Psychoinstanzen miteinander zanken, zögern oder im schlimmsten Fall wie gelähmt dastehen werdet, und die meisten Angreifer wollen ganz bewußt diese Situation hervorrufen.

 

Dieses Modell erklärt auch, warum viele Kampfkünstler, obwohl sie jahrelang trainiert haben, dem abgebrühten Schläger unterlegen sind: Während die meisten Kampfkünstler ihre Techniken aus moralischen und ethischen Gründen nicht missbrauchen wollen und dem Konflikt zwischen Über-Ich und Es ausgesetzt sind, hat der Schläger dieses Problem nicht.

Ein Schläger/Krimineller hat aufgrund seiner positiven Einstellung zu Aggression und Gewalt die perfekte psychische “Basis”, um skrupellos gegen andere Menschen vorgehen zu können und er hat auch keinerlei moralische Bedenken damit, sein Es nicht zu unterdrücken und sich das zu nehmen, was er will.