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Ein kurzes Vorwort:

 

Bevor ich in die Thematik einsteige, möchte ich in diesem Vorwort noch einige kritische Überlegungen zum Thema “kommerzielle Selbstverteidigung” äußern.

 

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Es ist nicht das Problem, dass Menschen SV kommerzialisieren, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das Problem liegt eher beim Laien, der auf diese Angebote anspringt. Damit ist nicht gemeint, dass der Laie absichtlich etwas falsch macht, das Problem liegt einfach in der menschlichen Denkweise, die schuld daran ist, dass leider viele kommerzielle SV-Angebote nicht wirklich SV unterrichten, bzw. nur einen sehr kleinen Teil davon.

 

Fast alle Laien machen den Fehler, SV mehr als Werkzeug und nicht als eine Lebenseinstellung zu betrachten.

Grob vereinfacht ist die Denkweise der meisten Menschen “a+b=c”. Das bedeutet, man hat ein Problem und findet die passende Lösung oder das passende Werkzeug, mit dem das Problem gelöst werden kann; z.B. ist das Auto kaputt, also bringt man es in die Werkstatt. Funktioniert der Kühlschrank nicht mehr, holt man den Elektriker. Ist man krank, holt man den Arzt u.s.w. .

 

“Ob da was passendes dabei ist?”

 

 

Genau diese Denkweise zieht sich auch in die SV weiter: Man hat ein Problem und sieht in der SV das passende Werkzeug, mit dem man sein Problem beheben kann. Diese “Probleme” sind bei vielen Menschen zu finden und fast immer folgende:

 

  - Angst oder Besorgnis (egal ob begründet oder nicht)

  - Mangelndes Selbstbewusstsein

  - Das Gefühl zu haben, schwach oder hilflos zu sein

 

Zahlreiche Leute aus verschiedenen Kampfkünsten haben erkannt, die “Probleme” der Leute gewinnbringend umzusetzen, indem sie ihre Kampfkunst/System als genau das passende Werkzeug anpreisen, das alle “Probleme” der Betroffenen auf einen Schlag lösen kann.

Dabei kommen dann nicht selten reißerische Slogans zum Einsatz, wie z.B. “Nie wieder Angst; in sechs Monaten zum eigenen Bodyguard”, “Free of Fear; be a fighter, not a victim” o.ä. . Dies erinnert den Leser unbewußt an seine “Probleme”, soll bestärkende Emotionen vermitteln und potenzielle Kunden anlocken.

 

Da jeder sein eigenes SV-System oder sogar seine eigene Kampfkunst erfinden und sich darin zum Großmeister erklären kann, gibt es eine Unmenge an verschiedenen SV-Systemen, von denen viele behaupten, sie seien das Beste und Effektivste, was es momentan gibt und in absehbarer Zeit auch geben wird. Die Namen dieser SV-Systeme variieren stark, häufig nutzen sie aber eine Kombination aus Schlagwörtern und klingen alle markig und eindrucksvoll; Wörter wie “Fighting”, “Combat”, “Military”, “Scientific”, “Extreme”, “Elite”, “Special”, “Ultimate”, “Power” sind verbreitet.

Das abstruseste, was ich jemals gehört habe, war das selbst entwickelte Kampfsystem eines Amerikaners, das den klangvollen Namen SAFTA (Scientific Art of Fighting Technology of America; Wörtlich übersetzt: Die wissenschaftliche Kunst der Kampf-Methodik von Amerika) trug.

 

Gerade in den USA hat die Kommerzialisierung von Kampfkünsten und SV ein solches Ausmaß angenommen, dass dort häufig von “McDojos” oder “Blackbelt-Factorys” (Schwarzgurt-Fabriken) die Rede ist. Dies sind Schulen, wo Image und Egobefriedigung durch die Verleihung hoher Graduierungen nach relativ kurzer Zeit wichtiger sind als die tatsächliche Kampfkunst oder das Unterrichten von vernünftigen Techniken, Strategien oder Verhaltensweisen.

Häufig sind solche Schulen überteuert und binden ihre Kunden mit Knebelverträgen oder sehr langen Vertragslaufzeiten. So schlimm wie in Amerika ist es in Deutschland noch nicht, allerdings haben bereits auch hier einige Kampfkünste gezeigt, dass der Trend durchaus in diese Richtung geht.

 

Da viele Menschen nicht den Unterschied zwischen Kampfkunst und SV kennen (siehe Unterschiede zwischen Kampfsport/-kunst und Selbstverteidigung), muss der Laie aus einem fast unüberschaubaren Angebot an Systemen und Kampfkünsten auswählen.

Obwohl sich diese Systeme oder Kampfkünste stark voneinander unterscheiden können, lassen sich die Angebote/Präsentation der Systeme, mit welchen sie SV anpreisen oder verkaufen, grob in drei Kategorien einordnen:  

 

 

 

 

 

Manchmal werden diese drei Kategorien von bestimmten Kampfkünsten auch vermischt, so dass beim Laien der Eindruck entsteht, diese Kampfkunst bietet wirklich alles, was man braucht; z.B. ein System, von geheimen Mönchen in geheimen Klöstern entwickelt, das heute vom Militär genutzt und der Öffentlichkeit in spektakulären Shows demonstriert wird.

Ob solche Systeme auch für die persönliche Selbstverteidigung sinnvoll sind, darf bezweifelt werden.

 

 

Kriterien für einen guten SV-Kurs:

 

Ich fange umgekehrt an und nenne ein Kriterium für einen schlechten SV-Kurs: Ein schlechter SV-Kurs beschränkt sich völlig oder fast auf die physische Seite der Selbstverteidigung und vermittelt hauptsächlich Techniken nach Schema “a+b=c”. Auf einen bestimmten Angriff (a) wird eine bestimmte Verteidigung (b) trainiert, die den Angreifer außer Gefecht setzt (c).

 

Hier hat man das klassische Negativbeispiel, wo Kampfkunsttraining 1:1 in die Selbstverteidigung übertragen wird.

Es gibt mehrere Gründe, warum das Erlernen von solchen Schemata für die Selbstverteidigung unbrauchbar ist:

 

1. Das Pferd wird von hinten aufgezäumt:

 

Das bedeutet, es wird sich alleine auf die physische Seite der Selbstverteidigung konzentriert und andere, wichtigere Aspekte vernachlässigt. Warum dies eklatant falsch und gefährlich ist, soll folgende Zeichnung verdeutlichen:

 

Wie zu erkennen ist, stellt die physische Selbstverteidigung nur die “Spitze des Eisberges” und die “Endstufe” dar, wenn eine Situation bereits eskaliert ist. Es gibt davor aber noch weitere Aspekte, die alle verhindern können, dass es überhaupt so weit kommen muss:

 

0: Wissen und Verstehen:

Dies ist die Basis, auf der alles andere aufgebaut wird. Wenn man denkt, dass man niemals in eine SV-Situation kommen wird oder es auf der Welt keine schlechten Menschen gibt, dann wird diese Pyramide bedeutungslos sein. Auch ist es wichtig zu verstehen, wie Kriminelle und Gewalttätige denken und was sie benötigen, um erfolgreich zu sein.

 

1: “Walk-Aways” oder “Ne, lieber doch nicht!”:

Dies sind in erster Linie Sicherheitsmaßnahmen, die den potentiellen Täter abschrecken sollen. Kriminelle mögen das Ungewisse nicht. Walk Aways sind für jedermann sichtbar und lassen den Gegner bei seiner Entscheidung zögern und sich überlegen, ob er sich nicht doch vielleicht besser ein anderes Opfer sucht.

Ein simples Beispiel für einen “Walk-Away” wäre ein sicher verschlossenes Fahrzeug oder das Licht, welches Nachts vor der Tür brennt. Wenn der Kriminelle die Wahl hat, wird er immer den leichteren Weg nehmen. Bei einer leerstehenden Wohnung ist das Risiko geringer, als in einem bewohnten Haus und eine Frau, die alleine Nachts spazieren geht ist ein leichteres Opfer, als wenn sie in Begleitung wäre. Überlege, welche Dinge den Kriminellen den Alltag erleichtern würden und versuche, diese Dinge in Deinem Leben abzustellen.

 

2: Angewohnheiten:

Dies sind Routinen, die sicherstellen sollen, dass die “Walk-Aways” eingehalten werden. Wenn man also immer vergisst seinen Wagen abzuschließen, dann hängt man sich z.B. eine Erinnerung in Form eines Zettels an den Rückspiegel.

 

3: Aufmerksamkeit:

Aufmerksamkeit ist eine Kombination aus Wissen und Gewohnheit. Dir ist rudimentär klar, wie Kriminelle vorgehen und Du kannst dieses Wissen in Deine Aufmerksamkeit einfließen lassen. Aufmerksamkeit hilft Dir auch, Stufe 2 aufrecht zu erhalten.

 

4: Manövrieren und Position beziehen:

Was sich schwierig anhört, ist eigentlich ganz einfach: Es besagt eigentlich nur folgendes: “Das Du weißt, wo Du nicht sein willst”. Wenn Du von drei Raufbolden angegangen wirst, dann muss Dir bewußt sein, dass sie in der Lage sind, Dich zu umzingeln.

Du hast Dich also so zu positionieren und zu verhalten, dass ihnen das nicht möglich wird. Ein weiteres Manöver wäre auch ein simpler Wechsel auf die andere Straßenseite. Wohnst Du in einem miesen Stadtviertel, dann zieh um, so banal es auch klingt.

 

5: Wissen über Selbstwert und Grenzen:

Wissen über den Selbstwert ist ein Eingeständnis zu Dir selbst, dass weder Du noch Deine Liebsten es sich leisten können, dass Du ein Opfer von Gewalt wirst. Spätestens hier sollte man sich im klaren darüber sein, wie weit man im Falle einer Selbstverteidigungssituation bereit ist zu gehen.

Es gibt Menschen, die physische Gewalt verabscheuen und die unter keinen Umständen gewalttätig werden wollen. Dies hat nichts mit Feigheit zu tun, sondern es geht hier schlicht und einfach um die reale Einschätzung seiner Persönlichkeit. Für diese Leute kommt z.B. Stufe 7 nicht in Frage, sie werden sich, im Falle eines physischen Angriffs, andere Möglichkeiten überlegen müssen

      

6: Verbale Verteidigung Deiner Grenzen:

Dies ist in erster Linie Kommunikation. Du läßt den potentiellen Täter wissen, dass Du weißt, was er vorhat und das Du unter allen Umständen dazu bereit bist, Dich zu verteidigen.

Man muß wissen, wie weit man gehen kann, um den potentiellen Gegner nicht noch unnötig zu erzürnen oder zu provozieren. Bedingende Vorraussetzung für Stufe 6 ist Stufe 5. Wer sich selbst gering schätzt, der wird auch seine persönlichen Grenzen nicht verteidigen.

 

7: Physische Selbstverteidigung:

Dies ist die allerletzte Möglichkeit. Du mußt tun was nötig ist, um den Gegner aufzuhalten. Es geht hier nicht um Kämpfen oder darum, furchtlos zu sein und es geht hier auch bei Gott nicht darum, während des Kampfes “gut auszusehen”. Es geht einzig und alleine darum, dass Du kein Opfer von Gewalt wirst. Diese Stufe erfordert die Einstellung und innere Bereitschaft, jemanden physisch verletzen zu wollen und zu können.

 

Selbst wenn man nur die ersten vier Stufen dieser Pyramide befolgt, kann das Risiko einer SV-Situation deutlich reduziert werden. Wie man also sieht, ist Selbstverteidigung nicht immer nur eine physische Auseinandersetzung, im Gegenteil. Wenn man in eine physische Notwehrsituation kommt, hat man vorher oft etwas übersehen oder falsch gemacht.

Wie alles andere auch, erfordert dieses System einen gewissen Aufwand an Training und Disziplin, da es bedeuten kann, dass man bestimmte Gewohnheiten ablegen oder umstellen muss. Das Ergebnis wird sich jedoch lohnen. Man lebt nicht nur sicherer, sondern lernt auch Dinge mit anderen Augen zu sehen.

 

 

2 Komplexe Techniken/Schemata versagen unter Stressbedingungen

 

Jeder kann sich bestimmt noch an die eigene Schulzeit erinnern, als er vom Lehrer aufgefordert wurde, vor die ganze Klasse an die Tafel zu kommen und eine Aufgabe zu lösen. Nicht selten tritt in einer solchen Situation der berüchtigte “Blackout” ein.

Es ist bewiesen, dass plötzlicher auftretender Schock, Angst oder Schrecken unsere geistigen (Leistungs)Fähigkeiten negativ beeinflußt und unsere Handlungsfähigkeit drastisch eingeschränkt wird, da der Körper Adrenalin ausstößt und in den “Fight of Flight”-Modus (“Kämpfe oder flieh”) wechselt.

 

Ein überraschender physischer Angriff ist für die allermeisten Menschen eine absolute Ausnahmesituation, die überfallartigen Schock und Verwirrung auslöst. Unter solchen Bedingungen ist es für Teilnehmer eines SV-Wochenendkurses, welche die Techniken auch nur einige Minuten geübt haben, rein physisch meist nicht mehr möglich, ihre gelernten Schemata abzurufen und anzuwenden.

Auch gibt es genügend Geschichten von trainierten und hochgraduierten Kampfkünstlern, die in solchen Situationen überfordert waren. Eine Trainingssituation ist eben etwas anderes als der Ernstfall.

 

3. Das Erlernen von vielen Techniken verhindert ein rasches Handeln

 

Manche Kampfkünste brüsten sich damit, dass sie über 100 Möglichkeiten kennen, auf einen Angriff zu reagieren. Dies mag sich beeindruckend anhören, ist aber für die physische SV eher hinderlich. Folgende Abbildung soll dies verdeutlichen:

 

“Lernen durch Informationsverarbeitung (“information processing”)”, aus “Studienbuch Pädagogik” von Arnim Kaiser und Ruth Kaiser

 

 

Informationen werden durch unsere Sinne (sensor. Register) an unser Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsspeicher, working memory) übermittelt, von dem sie ins Langzeitgedächtnis gelangen.

Im Langzeitgedächtnis werden Informationen in Form von sogenannten “Skripts” gespeichert. Ein Skript ist vergleichbar mit einer Datei, auf die bei einem Sinnesreiz zugegriffen wird, die Informationsbündel und -prozesse enthält und eine entsprechende Handlung (response generator) ermöglicht.

 

Für das Erlernen von SV-Techniken hat dies nun maßgeblich zwei Bedeutungen:

 

- Die Technik oder Technikfolge muss überhaupt erst einmal in unserem Langzeitgedächtnis als Skript gespeichert werden. Wird die Technik nur kurz geübt, besteht eine hohe Chance, dass sie innerhalb kürzester Zeit wieder vergessen wird.

 

- “Schema a+b=c” ist unter Lerngesichtspunkten nachteilig, da für eine bestimmte Situation (Angriff) immer auch ein bestimmtes Skript (Abwehr) angelegt werden muss. Das Verknüpfen von Informationen oder eigene Erkenntnisse findet nicht oder kaum statt.

Und je mehr Abwehr-Skripts man für einen Angriff zur Verfügung hat, desto mehr muss sich das Gehirn für die Auswahl eines entsprechenden Skripts entscheiden. Bis man also ein entsprechendes Skript ausgewählt hat, vergeht zusätzlich wertvolle Zeit für die Ausführung einer Verteidigungshandlung. Mehr ist also nicht immer gleich besser.    

 

 

Der Trainer:

 

Um es mal klar zu sagen: Einen guten SV-Lehrer erkenne ich nicht daran, ob er einen schwarzen Gürtel trägt, sich mit beeindruckenden Titeln schmückt, ein Muskelpaket oder ein ehemaliges/aktuelles Mitglied von Polizei oder Militär ist. Dies sind alles nur vielleicht Hinweise darauf, dass sich diese Person in einer bestimmten Form mit Selbstverteidigung beschäftigt hat, sie sagen aber nichts über seine tatsächlichen Qualitäten als Lehrer aus.

Da sich die menschliche Anatomie über Jahrtausende nicht verändert hat, können auch hier die Kampfkünste oder kommerzielle SV-Systeme das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Komplett “neue” und “überlegene” Systeme können demnach genauso wenig neu erfunden werden, wie man das Auto nicht mehr neu erfinden kann. Einen guten Trainer erkennt man hauptsächlich daran, wie er seinen Unterricht gestaltet.

 

Allerdings sind Menschen emotionale Wesen und nicht wenige wollen “ihren Lehrer”, bevor sie Wissen annehmen oder sich unterrichten lassen. Damit ist gemeint, dass der Schüler in seinem Lehrer auch eine Art Vorbild erkennen soll/will, dem er nacheifern kann. Dies ist natürlich keine Voraussetzung für Lernprozesse, es erleichtert sie aber ungemein, da die intrinsische Motivation des Schülers erhöht und er damit aufnahmebereiter wird.

 

Für Trainer von Kampfkunst/SV bedeutet das, dass sie in gewisser Weise auch den allgemeinen Vorstellungen entsprechen sollten, wie ein Meister der Kampfkunst oder jemand, der sich mit Kämpfen beschäftigt, auszusehen hat. Der Kampf ist eine körperliche Angelegenheit und somit ist von Lehrern der Kampfkunst/SV auch eine gewisse Athletik zu erwarten.

Athletik hat natürlich nichts mit den didaktisch/methodischen Fähigkeiten des Lehrers zu tun, sie hilft in diesem Zusammenhang aber dabei, den Lehrer authentisch wirken zu lassen. Für nicht wenige Menschen spielt Authentizität/Glaubwürdigkeit eine große Rolle bei der Entscheidung, ob man jemandem zuhört oder nicht; man stelle sich nur einen Versicherungsvertreter vor, der nicht mit Anzug und Krawatte, sondern im Blaumann vor seinen Kunden auftritt.  

 

Mit Athletik assoziiert man Kraft, Ausdauer und Überlegenheit.

 

 

Beim Unterrichten unterscheidet man zwei wichtige Aspekte:

 

 

 

Zusammenfassung und Kriterien für einen guten SV-Kurs: